Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen damit einen Dialog über Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Heute mit der Tätowiererin Sarah Hofmann.
Geld kommt und geht – ein Tattoo bleibt für immer. Unser Autor – aus Überzeugung untätowiert – hat sämtliche Vorurteile abgelegt und Sarah Hofmann in ihrem Studio am Escher-Wyss-Platz in Zürich getroffen. Zu soften House-Beats im Hintergrund erzählt Hofmann, wie sie mit ihren bescheidenen Finanzen über die Runden kommt.
Alter: 39
Beruf: Tattoo- und Illustrationsdesign
Einkommen: 42’000 im Jahr netto
Schulden: ein Zigipäckli bei meiner Schwester – sonst schuldenfrei
Grösster Ausgabeposten: Kinder
Vermögen: wurde ins E-Bike investiert – sprich: wirklich keins
Wie du siehst, habe ich keine Tattoos. Habe ich jetzt Geld gespart oder eher an meiner Coolness?
An der Coolness bestimmt nicht. Tattoos sind nicht der einzige Weg, wie man sich selbst ausdrücken kann. Aber es ist sicher eine coole Sache, um Geld dafür auszugeben.
Wie viel würde ich bei dir für ein Tattoo liegen lassen, sollte ich es mir anders überlegen?
Das kommt ganz auf die Grösse und den Aufwand an. Mein Mindestpreis liegt bei 280 Franken – nach oben ist alles möglich, je nachdem, wie viel Zeit und Detailarbeit drin steckt.
Wie setzt sich der Preis zusammen?
Ich habe eine klare und transparente Preisstruktur. Mein Stundensatz beträgt 180 Franken, und zu jeder Tätowierung kommen 100 Franken für Material und Administration pauschal dazu. Die meisten Tätowierungen liegen zwischen 370 und 460 Franken.
Ziemlich viel Geld für ein paar Striche.
Ich mache ausschliesslich Fineline-Tattoos – da kann es schon mal vorkommen, dass ein Motiv aus nur einem Punkt besteht. Und ja, bei so kleinen Symbolen frage ich mich manchmal selbst, ob das preislich passt. Aber gleichzeitig hat ein Tattoo oft einen tiefen emotionalen Wert und begleitet die Person ein Leben lang – ein paar Striche sind dann eben nicht «nur ein paar Striche». Dennoch, wenn es nur ein winziges Zeichen ist, finde ich immer eine faire Lösung – ich will ja auch, dass es für beide Seiten stimmt.
Soll neben dem Stechen auch der Preis ein wenig weh tun?
Ich habe da eine andere Philosophie: Ein Tattoo sollte für möglichst viele Menschen zugänglich sein. Natürlich gibt es Leute, die sich über den Preis wundern – gerade bei sehr kleinen Motiven. Aber es geht eben auch um Zeit, Einfühlungsvermögen, Vertrauen. Ich begleite die Menschen oft auch emotional – das gehört für mich dazu. Deshalb verlange ich auch keine Anzahlung. Ich arbeite auf Vertrauen, und das funktioniert gut.
Bist du vor dem Tätowieren nervös?
Heute nicht mehr. Anfangs war das anders – es ist schon eine grosse Verantwortung. Man sticht etwas Bleibendes auf die Haut einer anderen Person. Aber mit der Erfahrung und der Routine ist auch Ruhe eingekehrt. Meine Verantwortung liegt eher darin, gemeinsam zu erspüren, ob das Tattoo wirklich zu der Person passt.
Wie bereitest du dich auf ein Tattoo vor?
Ich nehme mir bewusst viel Zeit, um zuzuhören. Für viele Menschen ist das Tattoo auch eine Möglichkeit, etwas zu verarbeiten. Die Vorbereitung kann daher intensiver sein als das Stechen selbst. Ich weiss, dass dieser Zugang nicht überall üblich ist – aber meine Kund:innen sagen mir oft, dass sie sich bei mir sehr verstanden fühlen. Das bedeutet mir viel.
Wie konntest du diese Beziehung zu deiner Kundschaft aufbauen?
Eine freundliche Kommunikation vom ersten bis zum letzten Moment ist für mich enorm wichtig. Wenn sich jemand bei mir wohl und gut begleitet fühlt, entsteht schnell Vertrauen. Viele Studios wirken eher dunkel und einschüchternd, zumindest ist das die Antizipation, wenn man an ein Tattoostudio denkt – aber bei mir ist die Atmosphäre bewusst offen und hell. Das schätzen meine Kund:innen sehr. Und ich auch.
Wie viel deiner Zeit verbringst du mit Admin?
Auf jeden Fall mehr als die Hälfte, wenn man auch das Zeichnen mitzählt.
Findest du das frustrierend?
Nein. Ich sitze zwar viel am Computer, aber es macht mich auch happy, wenn die Leute genau das kriegen, was sie sich vorgestellt haben.
Das musst du jetzt sagen.
Naja. Ich muss schon zugeben: Häufig, wenn ich beim Tätowieren gerade richtig im Flow bin, ist es bereits wieder vorbei. Dann denke ich mir: «Können wir nicht noch eins machen?» Aber es stört mich wirklich nicht sonderlich.
Gibt es ein Tattoo, das du nicht mehr sehen kannst?
Ich habe schon viele Unendlich-Zeichen gestochen. Für mich ist das keine Herausforderung mehr. Aber dann sitzt da Monika, 65, bei mir und ist zu Tränen gerührt, weil sie sich mit genau diesem Zeichen einen Herzenswunsch erfüllt. Solche Momente berühren mich total – und ich erinnere mich wieder daran, warum ich diesen Beruf so liebe.
Wie steht es um den Tattoo-Trend? Wie lange kannst du die Welle noch reiten?
Tätowierungen sind nichts Neues – sie begleiten die Menschheit seit eh und je und werden wohl auch nie ganz verschwinden. Natürlich wird es immer wieder Phasen geben, in denen der Trend eher dahin geht, keine Tattoos zu tragen oder Individualität anders auszudrücken. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich auch dann Wege finde, kreativ zu arbeiten und meinen Lebensunterhalt zu verdienen. In der Branche ändern sich die Strömungen immer wieder – im Moment erfreuen sich Tiny Tattoos und Fineline grosser Beliebtheit, was mir entgegenkommt. Für mich ist das Entscheidende, offen zu bleiben und mit der Zeit zu gehen. Veränderung ist das Einzige, was wirklich sicher ist – wer sich ihr nicht anpasst, macht es sich auf Dauer schwer.
Möchtest du nicht deine Kunst verkaufen?
Die Menschen kommen zu mir, weil sie etwas Persönliches auf ihrer Haut verewigen wollen – keine «freie Kunst». Da steckt oft eine Geschichte dahinter, ein Erlebnis, ein Abschied. Manchmal ist das ganz schön viel Bedeutung für so ein kleines Motiv – aber ich versuche, dem gerecht zu werden.
Neben Tattoos hast du auch schon Hair & Make-up gemacht. Was schenkt am meisten ein?
Das hängt davon ab, wie man sich positioniert. Wer etwas mit Leidenschaft macht und sich gut vermarktet, kann aus allem Gold gewinnen.
Wie viel Gold ist es momentan?
Ich habe mit 500 Franken Monatslohn gestartet und diesen jährlich erhöht. Mittlerweile zahle ich mir für mein 80-Prozent-Pensum 3500 Franken aus. Es hat sicher Potenzial nach oben – aber ich komme klar.
Dieser Lohn macht dir keine Angst?
Ich hatte nie existenzielle Ängste in meinem Leben. Nicht, weil ich so viel Geld gehabt hätte, sondern weil ich die Philosophie habe, dass Geld fliesst, und weil ich darauf vertraue, dass es irgendwie reicht. Auch in schwierigen Zeiten, etwa als ich alleinerziehende Mutter war, hat es immer irgendwie funktioniert. Manchmal auf den letzten Drücker – aber es ging immer weiter.
Konkret: Wie kannst du von 3500 Franken pro Monat leben?
Gut. Ich brauche persönlich nicht viel. Wenn ich mehr hätte, würde es wahrscheinlich direkt ins Reisen fliessen. Aber ich bin fein damit – zumal mein Partner unser gemeinsames Familienleben mitträgt. Trotzdem ist es mir wichtig, wirtschaftlich unabhängig zu sein. Und ich bin überzeugt, ich würde es auch allein schaffen können.
Wie legst du dein Geld an?
Ich habe seit zwei Jahren eine dritte Säule – endlich! Vorher war das schlicht nicht möglich. Nicht mal 200 Franken monatlich hätte ich entbehren können. Ansonsten bin ich sehr bodenständig: keine Fonds, keine Kryptos. Das ist einfach nicht meine Welt – und das ist okay so.
Und deine Altersvorsorge?
Ja, das Thema beschäftigt mich auf jeden Fall. Ich gehe auf die 40 zu und zahle seit meinem 22. Lebensjahr in die Pensionskasse ein. Ich mache mir keine Illusionen und rechne nicht mit riesigen Summen im Alter. Aber ich denke, dass dann vielleicht etwas mehr für mich selbst übrig bleibt – schliesslich fallen bis dahin einige Ausgaben für die Kinder weg.
Für so eine «rebellische» Tätowiererin ist dein Umgang mit Geld enttäuschend brav.
Mag sein. Ich habe einfach ein sehr entspanntes Verhältnis zu Geld. Wenn’s da ist – schön. Wenn nicht – finde ich einen Weg. Für mich ist Geld kein Antrieb. Ich setze meine Energie lieber in Dinge, die mir wirklich wichtig sind.
Nicht einmal ein Suff-Tattoo?
Doch, ich habe schon ein paar Tattoos, die aus einer Bieridee heraus entstanden sind. Aber sie gehören zu mir – genau wie die ernsteren. Ich bereue sie alle nicht.


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