Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:34
Ort:Schönenberg TG
Beruf:Pflegefachfrau, Unternehmerin, Co-Gründerin WeNurse AG
Einkommen:weniger als in der letzten Festanstellung trotz unternehmerischem Risiko
Schulden:Hypothek
Grösster Ausgabeposten:Unterhalt Haus inkl. Hypothekarzins; Essen
Vermögen:Aktien und Bitcoins

Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?

Geld gibt mir Sicherheit und natürlich eine gewisse Freiheit, aber es ist mir nicht wichtig. Natürlich habe ich lieber mehr Geld als zu wenig. Das geht wohl vielen so. Aber ich bin nicht materialistisch veranlagt. Ich habe zum Beispiel immer noch dasselbe Auto wie mit 18 Jahren, obwohl ich mir längst ein neues leisten könnte. 

Du hast lange Zeit in der Pflege gearbeitet. Die Löhne der Branche werden immer wieder diskutiert. Inwiefern war Geld für dich im Zusammenhang mit deinem Beruf Thema?

Geld war natürlich immer wieder ein Thema für mich, aber nie meine treibende Kraft. Ich wollte nie Karriere machen, um viel Geld zu verdienen. Mein Antrieb war und ist bis heute, dass ich gesellschaftlich etwas verändern will. Gleichzeitig finde ich, dass Geld ein zentraler Faktor sein kann. Geld gibt einer Arbeit einen Wert.

Alessia Schrepfer
Eine topmotivierte Person, die ihren Job super macht und sich anstrengt, bekommt heute oft dieselbe Lohnerhöhung wie eine Person, die weniger gut ist und sich weniger anstrengt. Das ist kontraproduktiv.

Stimmt dieser Wert in der Pflege aus deiner Sicht? 

Nicht überall. Man muss aber auch die Regionalität, fachliche Schwerpunkte sowie die Ausbildungsstufe respektive die Funktionsstufe berücksichtigen. Grundsätzlich sind die Löhne in der Pflege direkt am Patientenbett tendenziell eher tief. Obwohl sich auch da in den letzten Jahren einiges verändert hat. Beispielsweise wurden die Löhne für Fachpersonen Gesundheit direkt nach dem Lehrabschluss angehoben. Allerdings stagniert der Lohn in den höheren Stufen. Wer zusätzlich eine Ausbildung an einer Höheren Fachschule oder einer Fachhochschule macht, verdient heute nicht viel mehr als früher. 

Warum nicht?

Ich glaube, man anerkennt die Leistungen, die Erfahrungen und die Akademisierung des Pflegeberufs nicht genügend. Gerade wenn man es mit anderen Branchen und Karrieren vergleicht, hinkt die Pflege hinterher. Wichtig finde ich, dass wir das gesamte Gesundheitssystem im Blick haben und gewisse Dinge berufsübergreifend und politisch anschauen. 

Wie meinst du das?

Ich meine damit die Lohnlücke, beispielsweise zwischen den Ärzt:innen und der Pflege, aber auch zwischen den Ärzt:innen und den Therapeut:innen, etwa den Physios. Dieser Gap ist riesig, und das seit jeher. Die Ärzt:innen haben ab einer gewissen Stufe sehr hohe Löhne. Ganz im Gegensatz zur Pflege oder den Therapeut:innen. Und das, obwohl diese Bereiche immer mehr Masterabschlüsse oder andere akademische Abschlüsse erfordern und deutlich mehr Aufgaben übernehmen als früher. 

Vielleicht müssen wir hier mal ein paar Zahlen zur Veranschaulichung nennen. Wie sehen die Durchschnittslöhne im Pflegebereich heute aus? 

Die Löhne variieren stark je nach Fachgebiet und Region. Im Schnitt verdient eine Fachperson Gesundheit (FaGe) zwischen 4400 und 6000 Franken monatlich. Eine diplomierte Pflegefachperson kommt auf 5500 bis 7500 Franken monatlich. Wer Zusatzaufgaben übernimmt, verdient etwas mehr. Aber diese Zahlen zeigen schon das Missverhältnis. Unter Umständen verdient man als Diplomierte gar nicht so viel mehr. Viele sagen sich: Warum soll ich mich weiter ausbilden, wenn sich das finanziell für mich nicht auszahlt?

Was wäre aus deiner Sicht ein angemessener Lohn? 

Ich kann und will mich nicht auf eine Zahl festlegen. Auch, weil ich finde, dass es nicht nur um eine Zahl geht. Es geht vielmehr um die Frage: Wie viel Wert hat eine Arbeit, und wer hat wie viel Lohn für seine Leistung verdient? Ich finde, das Lohnsystem im Pflegebereich muss umgestellt werden. Ich bin eine Verfechterin des Leistungslohns. 

Warum?

Heute bekommt man in der Pflege in der Regel Lohnerhöhungen aufgrund von Dienstjahren. Ausserdem werden noch immer viele Pauschalerhöhungen für ganze Belegschaften ausgesprochen. Das heisst, die topmotivierte Person, die ihren Job super macht und sich anstrengt, bekommt dieselbe Lohnerhöhung wie eine Person, die weniger gut ist und sich weniger anstrengt. Das ist kontraproduktiv. Warum soll ich mir Mühe geben und die Extrameile gehen, wenn jemand, der das Minimum macht, gleich behandelt wird wie ich?

Alessia Schrepfer
Es braucht in der Pflege und im Gesundheitswesen allgemein mehr Marktwirtschaft.

Wie würdest du den Leistungslohn in der Pflege gestalten?

So wie er sonst auch gestaltet ist in anderen Branchen: Wer sich anstrengt und engagiert ist, sollte mit Lohnerhöhungen belohnt werden. Jene, die nur das Minimum machen, haben aus meiner Sicht bereits heute einen sehr guten Lohn. Es braucht in der Pflege und im Gesundheitswesen allgemein mehr Marktwirtschaft. 

Wie viel Einfluss hat der Fachkräftemangel aktuell auf die Löhne?

Es hat sich bisher nicht viel verändert. Einzelne Spitäler haben die Löhne angehoben. Andere – grosse namhafte Betriebe – sind hingegen bekannt dafür, dass sie im Vergleich tiefe Löhne zahlen. Trotzdem fehlt es ihnen nicht an Personal, weil sie spannende Arbeitsorte sind, wo man viel lernen kann. Das zeigt: Der Lohn ist nur ein Faktor und nicht immer der wichtigste. Man muss dazu auch sagen, dass viele Betriebe auch nicht mehr zahlen können. Es gibt Heime oder Institutionen, die schlicht nicht genügend finanzielle Mittel haben, um die Löhne anzuheben. Für mich ist darum klar, dass es auch darum geht, Prozesse zu optimieren und innovativ zu sein. Ich bin überzeugt, dass es in vielen Betrieben Abläufe gibt, die man mit kleinen Änderungen optimieren könnte. Das wiederum führt zu Einsparungen, und dieses Geld kann man dann in die Mitarbeitenden investieren. 

Alessia Schrepfer
Viele Menschen – oft Frauen –, die in diesen Bereichen tätig sind, setzen sich nicht mit dem Thema Geld auseinander und finden sich mit den Bedingungen einfach ab.

Hast du ein Beispiel für solche Optimierungen?

Eine Spitaldirektorin hat mir erzählt, dass ihre Patient:innen selbst in den Operationssaal gehen – natürlich sofern das der Gesundheitszustand zulässt. So wird ein Prozess vereinfacht, das Personal wird entlastet, es werden Ressourcen frei, und für die Patient:innen ist es auch noch besser. Das ist ein einfach umsetzbares Beispiel und für alle Beteiligten ein Mehrwert.

Berufe im Care-Bereich sind allgemein schlecht bezahlt. Obwohl wir spätestens seit der Pandemie alle wissen, wie systemrelevant sie sind. Ärgert dich das?

Natürlich ärgert mich das. Aber es liegt nicht nur am System oder an den Institutionen. Viele Menschen – oft Frauen –, die in diesen Bereichen tätig sind, setzen sich nicht mit dem Thema Geld auseinander und finden sich mit den Bedingungen einfach ab. Darum finde ich eure Arbeit so wichtig: Wir müssen uns mit dem Thema Geld befassen, Verantwortung übernehmen und für unseren Wert einstehen – aber eben auch einen (Mehr-)Wert generieren. Einfach pauschal «Geld verteilen» – dafür bin ich definitiv nicht, unabhängig von der Branche oder vom Geschlecht.

Wie ist es denn bei dir, kannst du für deinen Wert einstehen?

Inzwischen ja. Ich weiss noch, bei einer meiner ersten Anstellungen gab es eine Lohntabelle, die mit dem Arbeitsvertrag verschickt wurde. Ich habe gesehen, dass ich in dieser Tabelle ganz unten eingestuft war. Es war okay, ich stand ja am Anfang meiner Karriere. Trotzdem wollte ich es genauer wissen, ging zu meinem Chef und fragte: Sag mal, was muss ich tun, damit ich in die oberste Stufe dieser Tabelle komme?

Und was war seine Antwort?

Er sagte mir, fast schon schockiert, ich sei die allererste, die mit dieser Liste zu ihm komme und darüber reden wolle. Und dann sagte er: «Du wirst nie die oberste Stufe in diesem Haus erreichen, weil diese zu hoch angesetzt ist.» Das machte mich stutzig und zeigte mir, dass man hinschauen muss, wenn es um Geld geht.

Inzwischen bist du selbst Arbeitgeberin. Wie gehst du in dieser Funktion mit dem Thema Lohn um?

Ich will faire Löhne zahlen an alle. Aber ich finde auch: Es ist ein Geben und Nehmen. Wer mehr Lohn will, muss die entsprechende Leistung bringen. Ich fördere keine Trittbrettfahrer:innen. Dafür bin ich aufmerksam, wenn ich sehe, dass jemand sehr engagiert arbeitet. Denn es sind oft genau diese Personen, die dann nicht nach einer Lohnerhöhung fragen. Solchen Mitarbeitenden zahle ich auch ungefragt mehr, und vor allem fördere ich sie in ihren nächsten Karriereschritten. 

Kommen wir konkret zu deinem Unternehmen. Du hast WeNurse gegründet. Magst du kurz erzählen, was ihr macht?

Wir sind ein Personaldienstleister – verleihen also Personal und bieten Consulting im Gesundheits- und Pflegebereich. Wir bauen ein Netzwerk, bringen das unternehmerische Denken und Handeln in den Pflegebereich. Wir wollen so Vorbildrollen fördern und etablieren. Wir sind der Meinung, dass es gerade in der Pflege mehr Vorbilder braucht, die Dinge verändern wollen und in Lösungen denken. Dazu gehört eben auch, dass man ein Wissen hat in Sachen Finanzen und Prozesse. 

Alessia Schrepfer
Es ist teilweise schon frustrierend, dass wir für unsere Tarife kämpfen müssen. Vor allem deswegen, weil es in anderen Branchen wie der IT, sonst im Consulting, bei Ärzt:innen oder Handwerker:innen nie eine Diskussion ist.

Wie seid ihr organisiert?

Wir sind aufgestellt wie eine Consultingfirma mit einem Partnermodell. Wer bei uns arbeitet, wird Mitinhbaer:in von WeNurse. An unseren Nurs-Community-Boards informieren wir alle Mitglieder über die Geschäftsentwicklung, wir legen das Budget zur Abnahme vor und geben Einblick in die Finanzen. Ausserdem sind alle Mitglieder finanziell am Erfolg in Form von Mitarbeiteraktien beteiligt. Es ist ein ziemlich kompliziertes Konstrukt. Unsere Devise lautet: Pflege kann auch ein Business sein. Nicht im Sinne von «wir machen das grosse Geld und zocken alle ab», sondern «Pflege kann auch wirtschaftlich denken, funktionieren und vor allem innovative Lösungen der Basis näherbringen». 

Was kostet eure Dienstleistung?

Das kommt auf die Stufe an, also geht es um FaGe, Diplomierte oder ad-interim-Manager:innen. Als Beispiel, eine FaGe kostet 65 Franken pro Stunde. Viele finden das auf den ersten Blick teuer. Dabei vergessen sie, dass das nicht nur der Stundenlohn für die Person ist, sondern unsere Arbeit auch bezahlt werden muss. Ausserdem rechnen sie nicht ein, wie viel sie sparen: Sie haben keinen Rekrutierungsprozess, keine Sozialabgaben, keine Versicherung, bei Krankheitsausfall ist das Risiko ausgelagert etc.

Ihr müsst euch also oft für eure Preise rechtfertigen?

Ja, schon. In den Gesprächen verstehen es dann jedoch die meisten. Aber es ist teilweise schon frustrierend, dass wir für unsere Tarife kämpfen müssen. Vor allem deswegen, weil es in anderen Branchen wie der IT, sonst im Consulting, bei Ärzt:innen oder Handwerker:innen nie eine Diskussion ist.  

Hast du da ein Vergleichsbeispiel?

Ja. Ich bin mit meinem Mann ins Thurgau zurückgezogen, in das Haus meiner Grossmutter, das wir noch umgebaut haben. Ein Elektroinstallateur im dritten Lehrjahr kostet 60 Franken pro Stunde, ein ausgelernter Elektromonteur EFZ sogar 110 Franken pro Stunde. Da reklamiert niemand, aber bei der Pflege, bei einer ausgelernten Fachperson Gesundheit EFZ, schon. Eine provokative These? Man reklamiert hier nur, weil es oft die netten Frauen sind, die diese Jobs machen – überspitzt gesagt: das darf nichts kosten. Das verstehe ich nicht, und das ärgert mich sehr. 

Alessia Schrepfer
In unserem System gilt auf jeder Stufe: Umso chronisch kranker und umso pflegebedürftiger ein Mensch ist, umso lukrativer ist er oder sie für ein Pflegeheim, ein Spital oder eine Spitex. Prävention kann man dafür kaum abrechnen.

Ich möchte noch ein grösseres Thema anschneiden: die Kosten im Gesundheitswesen. Wo siehst du als Teil dieser Branche den grössten Hebel? 

Das ist ein riesiges Thema, und je mehr ich vom ganzen Bild sehe, desto mehr stelle ich fest, dass an sehr vielen Orten sehr grosszügig Geld ausgegeben wird. Es gibt Spitäler, die rote Zahlen schreiben und aussehen wie Luxushotels. Da klafft für mich schon einiges auseinander. Ausserdem glaube ich, dass in vielen Häusern nach einem System gearbeitet wird, das nicht effizient ist, einfach weil man es immer so gemacht hat. Und dann bin ich überzeugt, dass jede und jeder von uns, also wir Patient:innen, diese Kosten in der Hand hat. Denn wir alle sind die Hauptkostentreiber:innen.

Wie meinst du das?

Es gibt in unserem System sehr viele Menschen, die Patient:innen sind, obwohl sie das nicht sein müssten. Sie werden nach einem kleinen Eingriff in einem Spital oder in einer Reha gepflegt, obwohl sie auch zu Hause versorgt werden könnten. Dass das so ist, liegt vor allem an den falschen Anreizen, die meiner Meinung nach in unserem System geschaffen werden. In unserem System gilt auf jeder Stufe: Umso chronisch kranker und umso pflegebedürftiger ein Mensch ist, umso lukrativer ist er oder sie für ein Pflegeheim, ein Spital oder eine Spitex. Prävention oder Patientenedukation kann man dafür kaum abrechnen, sie sind finanziell überhaupt nicht attraktiv. Dabei wäre das der grösste Hebel. Wenn wir auf Prävention setzen und Menschen weniger krank werden, spart das langfristig Kosten. Aber unser System lebt von kranken Menschen und leider nicht von gesunden. 

Warum ändert sich das nicht?

Weil meiner Meinung nach die Gesundheitslobby politisch zu stark und einflussreich ist. Darum ist es fast unmöglich, den Fokus zu verschieben. Damit sich etwas ändern kann, müssen alle Player zusammenarbeiten und dasselbe Ziel verfolgen – du und ich, die Pflege, die Spitäler, die Politik und die Pharmaindustrie.

Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Wir sind fast am Schluss. Noch eine letzte Frage: Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?

Freiheit und Unabhängigkeit und eine stabile Finanzlage.