Chinesische Ultra-Fast-Fashion-Marken wie Shein, Romwe oder Zaful sind zu einem globalen Phänomen geworden. Sie zielen auf ein sehr junges Publikum ab, das beispielsweise Tik-Tok-Filme konsumiert. Die angepriesene Ware der Ultra-Fashion-Brands ist spottbillig. Wenn die Kleider nicht passen, lohnt es sich nicht einmal, sie zurückzuschicken. Im Zweifelsfall werden sie sonst auch von den Produzenten selbst zerstört.

«Anbieter wie Shein machen alles noch viel schlimmer als die altbekannten Fast-Fashion-Ketten wie beispielsweise H&M oder Zara», sagt Jamil Mokhtar von Fashion Revolution Schweiz, einem Verein, der zu einer globalen Bewegung gehört, die Konsument:innen sensibilisieren möchte. Mokhtar ergänzt: «Es geht nicht nur darum, wie die Ware hergestellt wurde, sondern auch darum, wie Konsummuster durch ein solches Geschäftsmodell verändert werden. Die Ultra-Fast-Fashion-Marken heizen den Konsum auf Social Media zusätzlich an. Die Tik-Tok-Generation kann mit wenigen Klicks die neuesten Trends bestellen. Der Wert eines Kleidungsstückes geht in der Wahrnehmung der Menschen völlig verloren. Kleider werden zu einem Wegwerfartikel.»

Die Textilindustrie als Dreckschleuder

Die Angst, nicht dazuzugehören, ist stärker als das Umweltbewusstsein: «Wir kaufen immer mehr und geben gleichzeitig weniger Geld dafür aus. Das ist absurd in Anbetracht der enormen Umweltschäden und der oft prekären Arbeitsbedingungen der Menschen in der Textilindustrie», sagt Barbara Wegmann, Konsum- und Kreislauf-Expertin bei Greenpeace Schweiz. Laut einer Studie von PwC und WWF werden 40 Prozent der gekauften Kleider nie oder nur selten getragen.

Die Textilindustrie ist jährlich für den Ausstoss von 1.2 Milliarden Tonnen Treibhausgasen verantwortlich und belastet die Umwelt stärker als der internationale Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen, hat die Ellen McArthur Foundation berechnet. Fashion ist somit eine der ausbeutendesten Industrien der Welt. Rund 60 Prozent aller Kleider enthalten Kunststofffasern, 35 Prozent des Mikroplastiks in den Meeren stammt von Textilien.

Zehn Badewannen für ein T-Shirt

Die vermeintlich umweltfreundlichere Baumwolle ist auch nicht besser: Angepflanzt wird sie in Ländern wie China, Indien oder den USA. Die auf nachhaltige Mode spezialisierte Designerin Angel Chang hat in ihrem TED Talk eindrücklich die Reise eines T-Shirts beschrieben. Baumwollplantagen brauchen mehr Pestizide als jede andere Ernte weltweit. Auch der Wasserverbrauch ist immens: Rund 2’700 Liter Wasser werden für die Herstellung der Baumwolle für ein einziges T-Shirt verbraucht, rechnet Fashion Revolution vor. Das sind zehn bis zwölf Badewannen pro Shirt. Oder so viel Wasser, wie ein Mensch braucht, um drei Jahre zu überleben.

Nachdem die Baumwolle maschinell geerntet und zu Knäueln verarbeitet wurde, wird sie nach Asien transportiert. Dort wird sie gesponnen. Der Stoff wird anschliessend mittels Chemikalien gebleicht und gefärbt, die meist krebserregendes Cadmium, Blei und Quecksilber beinhalten. Dabei landen diese Gifte auch im Grundwasser.

Fashion Revolution
Rund 2’700 Liter Wasser werden für die Herstellung der Baumwolle für ein einziges T-Shirt verbraucht. Das sind zehn bis zwölf Badewannen pro Shirt. Oder so viel Wasser, wie ein Mensch braucht, um drei Jahre zu überleben.

Näher:innen verarbeiten anschliessend den Stoff in Fabriken in Bangladesch, der Türkei, China oder Indien zu T-Shirts. Rund 60 bis 75 Millionen Menschen arbeiten in den Verarbeitungs- und Konfektionsfabriken der Modeindustrie, davon sind 80 Prozent Frauen. Die Arbeitsbedingungen sind miserabel und der Monatslohn tief. Die Näher:innen sind von Arbeitsrechtsverletzungen besonders stark betroffen. Von hier aus werden die T-Shirts in den Westen transportiert. Zwischen 1994 bis 2014 wuchs die Kleiderproduktion um 400 Prozent, angetrieben von globalen Unternehmen, die alle zwei Wochen neue Kleider in die Läden bringen.

Quantität statt Qualität

Laut WWF Schweiz kaufen Konsument:innen in der Schweiz durchschnittlich 20 Kilogramm Kleidung im Jahr. Die Kleider werden in der Regel bloss vier Jahre getragen. Würden alle Kleider schweizweit doppelt so lange genutzt, könnten pro Jahr 1'734'000 Tonnen CO2 eingespart werden, hat eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie ergeben. «Das entspricht 8'670 Millionen gefahrene Kilometer mit dem Auto oder 217'000 Erdumrundungen am Äquator! Der Grund dafür ist simpel: Je länger Kleider genutzt werden, desto kleiner ist der Bedarf an ressourcenintensiver Neuproduktion», sagt Barbara Wegmann von Greenpeace Schweiz.

Barbara Wegmann, Greenpeace Schweiz
Je länger Kleider genutzt werden, desto kleiner ist der Bedarf an ressourcenintensiver Neuproduktion.

Vorsicht bei sogenannten «nachhaltigen» Labels

David Hachfeld, Fachverantwortlicher der Clean Clothes Campaign bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye, sagt, dass Firmen heute viel mehr über Nachhaltigkeit kommunizieren, aber beim genauen Betrachten hätten sich weder die Bedingungen für die Arbeiter:innen verbessert noch sei der Materialverbrauch gesunken oder nachhaltiger geworden. Wenn sich Modeketten nachhaltiger inszenieren, als sie es wirklich sind, spricht man von Greenwashing. «Wenn das Businessmodell Quantität ist, dann kann es sich nur um Greenwashing handeln», sagt auch Jamil Mokhtar von Fashion Revolution Schweiz.

Bloss weil ein Shirt aus Bio-Baumwolle oder rezyklierten Materialien besteht, bedeutet das nicht, dass es unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde. «In der Vergangenheit haben wir einen grossen Fokus auf Nachhaltigkeit gesetzt, aber oft sind die sozialen Aspekte untergegangen. Ohne fairen Lohn gibt es keine Nachhaltigkeit», betont Mokhtar. Barbara Wegmann sagt zudem, dass das Material der Kleidung zweitrangig sei: «Besonders umweltrelevant sind Herstellung und Pflege der Kleider.» David Hachfeld von Public Eye fordert deshalb mehr Regulierung der Branche.

Stil statt Fashion

Um Fast Fashion auszumerzen, geht es aber vor allem auch um die Emanzipation der Konsument:innen: «Wenn wir mit Selbstvertrauen und einem eigenen Stil durch das Leben gehen, brauchen wir nicht so viele Kleider und rennen auch nicht Fast-Fashion-Trends hinterher», sagt Mokhtar. Oder wie es der Modedesigner Yves Saint Laurent einst formulierte: Fashion fades, style is eternal.

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Was du tun kannst: 
  • Frage dich immer, ob du ein Kleidungsstück wirklich brauchst.
  • Trage deine Kleider länger.
  • Wenn du wirklich etwas brauchst, dann schau zuerst im Secondhand-Shop nach oder leih dir was aus.
  • Investiere in Qualität statt Quantität, wenn du es dir leisten kannst. Dann halten deine Kleider länger, und du bist dir ihres Wertes bewusst.
  • Wasch deine Kleider weniger und bei niederen Temperaturen. Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin kann das Treibhauspotenzial um etwa 37 Prozent verringert werden, wenn wir mit 30 Grad Celsius waschen anstatt mit 60 Grad Celsius.
  • Versuch auf den Tumbler zu verzichten und trockne deine Kleider stattdessen an der Luft. Ein Tumbler verbraucht doppelt so viel Energie wie eine Waschmaschine.
  • Miete ein Festkleid anstatt eins zu kaufen.
  • Wenn du deine Kleider irgendwann nicht mehr brauchst, dann kannst du sie spenden oder als Putzlappen weiterverwerten.
  • Werde politisch aktiv. Während die EU im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft eine Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien erarbeitet habe, fehlten in der Schweiz Massnahmen, welche Ansätze der Kreislaufwirtschaft auch in der Modebranche fördern, sagt Greenpeace Schweiz. Ein wichtiger Meilenstein sei die Überarbeitung des Umweltschutzgesetzes im Rahmen der parlamentarischen Initiative «Kreislaufwirtschaft stärken». Dort bestehe die Chance, die Förderung von Ansätzen der Kreislaufwirtschaft gesetzlich zu verankern.
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