Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:33
Ort:Horgen
Beruf:Make-up Artist, Gründerin Onlineshop The Beauty Kollective
Einkommen:65’000–75’000 als Visagistin, Einnahmen aus e-commerce werden komplett reinvestiert
Schulden: keine, geplant ist ein Unternehmenskredit
Vermögen:3a

Was bedeutet Geld für Dich?

Geld verbinde ich mit Arbeit und Einsatz. Bereits mit 14 Jahren hatte ich meinen ersten Nebenjob, bei dem ich am Kiosk Soft-Ice verkaufte. Ich fand es toll, mein eigenes Geld zu verdienen, um mir meine Wünsche zu erfüllen. Geld ermöglicht ein freies, unabhängiges Leben.

Was für eine Rolle spielen deine indischen Wurzeln?

Mein Vater kommt aus dem Norden Indiens, meine Mutter ist Schweizerin. Die ersten Lebensjahre bin ich in Pondicherry aufgewachsen und mit 5 Jahren aus einem Drittweltland wie Indien in eines der reichsten Länder der Welt gezogen. Ich habe Wohlstandsgefälle sowie Ungleichheit seit Kindesbeinen mitbekommen und habe früh geschätzt, dass ich zu den wenigen Prozenten der Weltbevölkerung gehöre, die wirklich Glück hatten.

Wer hat mit Dir zu Hause über Geld gesprochen?

Meine Mutter war und ist bis heute eine meiner wichtigsten Bezugspersonen in finanziellen Fragen. Da sie meine beiden Geschwister und zwei Halbgeschwister grossteils alleine aufgezogen hat, habe ich bereits früh die Bedeutung finanzieller Unabhängigkeit erkannt.

Und da war noch meine Grossmutter, die in St. Gallen drei Apotheken führte und in den 60er-Jahren bereits eine renommierte Geschäftsfrau war. Sie hat mich mit ihrem Ehrgeiz und Erfolg inspiriert.

Hast Du Taschengeld erhalten?

Nein. Aber es gab Belohnungen für gute Noten. Wir konnten die Noten der Grossmutter schicken, und dann kam Geld zurück. Ich hatte in der Jugend viel Kontakt zu ihr und bewunderte sie sehr. Sie hat mir immer gesagt: «Schau, dass du auf eigenen Beinen stehst.»

Und dann hast du trotzdem einen typischen Frauenberuf ergriffen?

Ja, Make-up-Artistin. Aber ich wollte Ästhetik und Kreativität verbinden und im Ausland arbeiten, an grossen Shows schminken, wie zum Beispiel in Paris für Chanel und Dior.

Ich sage typisch Frauenberuf, weil er natürlich auch schlecht bezahlt ist …

Ja, ich habe am Anfang stundenlang gratis gearbeitet. Ich bin an Sets mitgegangen, ohne einen Rappen zu verdienen. Leider sind die Tarife in unserer Industrie in den letzten Jahren durch Sparmassnahmen eher gesunken.

Inwiefern?

Früher lagen die Tagessätze bei 1000 Franken. Nun gibt es mehr Lohndumping. Bei Hair & Make-up-Artist:innen wird nun öfters gespart.

Sophia Singh
Selbstständige wie ich müssen sich das Netzwerk und die Kund:innen über all die Jahre aufbauen.

Und ab wann kann man von diesem Job leben?

Ich würde sagen, dass es etwa vier bis fünf Jahre dauert, bis man davon leben kann. Es gibt nur wenige Festanstellungen beim Theater oder TV. Die meisten sind Selbstständige wie ich und müssen sich das Netzwerk und die Kund:innen über all die Jahre aufbauen. Als ich mit 21 in Berlin die Ausbildung zur Hair & Make-up Artist:in absolvierte, hat man uns gesagt, dass es nur gerade zwei Prozent der Absolvent:innen schaffen werden, davon leben zu können.

Diesen Job kann man nicht machen, wenn er nicht grosse Freude bereitet. Man muss viel Passion haben.

Hast du es deswegen geschafft? Du hast es bis in den Mode-Olymp, nach London an die Fashion Weeks gebracht?

Ja, ich bin direkt von Berlin nach London gezogen, die Stadt für Mode und Kreativität. Da habe ich zahlreiche «Cold Calls» an Fotograf:innen und Stylist:innen getätigt und sie auch direkt angeschrieben. Bei einer Zusage muss man sich bewähren, in der Regel gibt es nur eine Chance, gute Arbeit zu leisten. Bei neuen Kund:innen und Aufträgen verspüre ich diesen Leistungsdruck immer noch.

Sophia Singh
Ich habe immer im Minimum drei Monatslöhne auf der Seite.

Ich hatte bald die Chance, Personal Assistant einer Fashion-Week-Visagist:in zu werden. Sie war schon 20 Jahre lang in der Industrie. Ich habe die Shows vier Jahre lang gemacht. Danach hatte ich einen Kund:innenstamm, aber natürlich keine Verträge, nichts. Man wird einfach gebucht oder eben nicht. Die Kund:innen können schnell weg sein. Man hat keinerlei Sicherheiten. Deshalb ist es wichtig, immer etwas auf der Seite zu haben. Ich habe immer im Minimum drei Monatslöhne auf der Seite.

Empfehlen wir auch in den elleXX Money Hacks-Kursen. Aber trotzdem: London ist ein teures Pflaster, wie viel musst du da verdienen?

Da sollten schon 3000 bis 4000 Pfund reinkommen. 1500 Pfund gingen allein für die Wohnung drauf. Als dann aber meine beste Kundin, eine Celebrity, nach New York weggezogen ist, ging meine Rechnung nicht mehr auf.

Warum genau?

Ich verdiente einmal pro Woche mindestens 600 Pfund. Oft bin ich auch mitgereist. Das war sehr anspruchsvoll. Auf jedem Event, auf jedem Foto müssen die Kund:innen gut aussehen. Nebenher hatte ich weitere Kund:innen, aber man benötigt eine Hauptkund:in.

Ist es durch die sozialen Medien noch härter und kompetitiver geworden?

Durchaus. Kolleg:innen aus London erzählen oft, dass die Kund:innen auf Instagram Visagist:innen sehen, die zum Teil bekannter sind, und somit auch schneller die Konkurrenz buchen. Andererseits hat dadurch das Äussere auch mehr Bedeutung erhalten, und man leistet sich auch eher ein Profi-Make-up.

Dann bist du zurück in die Schweiz und hast deine eigene Firma gegründet. War das anspruchsvoll?

Extrem anspruchsvoll, wir haben eine GmbH gegründet, und ich musste mich mit neuen unternehmerischen Aufgaben auseinandersetzen. Wir sind zu startup.ch gegangen, um uns beraten zu lassen. Danach haben wir aus unserem Privatvermögen mit 20’000 Franken einen Online-Shop «The Beauty Kollective» gegründet, eine Plattform für Clean Beauty und Minimal-Waste-Produkte. Unser Angebot ist eine umweltfreundliche Naturkosmetik.

Wie bist du auf die Idee gekommen?

Ich habe mich daran gestört, wie viel Abfall unsere Branche produziert. Zum Beispiel die vielen Plastikverpackungen und Einwegapplikatoren. Das hat mich belastet, aber dazu animiert, nach Alternativen zu suchen. Weil sich dies als schwierig herausstellte, ist meine Business-Idee entstanden. Ich möchte die Anlaufstelle für nachhaltige Beauty-Produkte und Utensilien sein.

Sophia Singh
Ich habe mich daran gestört, wie viel Abfall unsere Branche produziert.

Was sind da zurzeit die grössten Herausforderungen?

Das Funding. Wir sind auf der Suche nach Investor:innen, bis dahin will ich selber noch mehr investieren und einen Unternehmenskredit aufnehmen.

Spendest du eigentlich auch?

Ein Prozent von unserem Umsatz geht direkt an Buy Food With Plastic. Die Schweizer Organisation ermöglicht es Menschen weltweit, mit Plastikflaschen Nahrungsmittel zu kaufen. Der Plastik wird zu neuen, hochwertigen Produkten upgecycelt.

A woman with a mission. Danke für das Gespräch.

Was rätst du jungen Unternehmerinnen, Fabienne Bolliger?
Die 37-Jährige hat kurz vor der Pandemie ihr eigenes Unternehmen rebELLE Beauty gegründet. Ein gewagtes Vorhaben, aber der Plan ging auf. Heute, abseits vom Hamsterrad der internationalen Grossfirmen, ist für sie klar: Frauen müssen öfter über Geld sprechen, wenn sie mehr verdienen wollen.
Lieber Fintech als Femtech – warum Investoren keine Frauen fördern
Wer keine Periode hat, sieht auch ihr Geschäftspotenzial nicht. Ideen weiblicher Gründerinnen haben es bei männlichen Kapitalgebern besonders schwer. Lost in translation: Teil 2 von «Female Founders» zeigt, wie Gründerinnen und Investoren aneinander vorbeireden – und wie sie sich besser verstehen.