Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:39
Ort:Zürich
Beruf:Geschäftsleiterin AlgorithmWatch CH (NGO)
Einkommen:Durch die Brille einer kleinen NGO gut, durch die Brille des Bankers eher weniger gut
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Die Hälfte von Kita, Hort, Krankenkassen und 3500 Franken Miete
Vermögen:Sparkonto + Säule 3a

Welche Gefühle löst Geld bei Dir aus?

Eigentlich nicht viele. Aber meine Beziehung zu Geld hat sich sicher verändert, seit ich dafür zuständig bin, erstens eine Familie mitzufinanzieren und zweitens das Geld für eine Organisation und die Löhne unserer Mitarbeitenden zu beschaffen. Da kann Geld schon ein grosser Druck sein. Umso mehr kann ich mich freuen, wenn es dann eintrudelt und wir damit unsere Arbeit weiter finanzieren können.

Wie würdest du folgenden Satz ergänzen: Geld ist für mich …

Hochpolitisch, ein mächtiges Tool, ein Symbol von Machtverteilung. Geld ist aber auch ein sehr abstraktes Konzept mit äusserst realen Auswirkungen. Es ist nichts Böses, es ist in dieser Welt einfach notwendig – und wir brauchen es auch, um viel Gutes tun zu können. Ich denke oft daran, wie der Zugang zu Geld aussieht, global gesehen. Wenn ich gewisse Summen lese oder höre, bleibt mir schon mal der Mund offen stehen. Da frage ich mich, wie Menschen mit so wenig Geld überleben. Und gleichzeitig existieren diese abstrakt hohen Summen auf der anderen Seite, die mich staunen lassen, aber natürlich auf eine andere Art und Weise. 

Angela Müller
Technologie hört sich neutral an – doch dahinter verstecken sich alte und neue gesellschaftliche Fragen rund um Gerechtigkeit, Machtverteilung, demokratisches Zusammenleben und Rechte von Menschen.

Du bist Leiterin bei AlgorithmWatch CH. Wie bist du bei einer NGO gelandet, die sich für die Regulierung von künstlicher Intelligenz, KI, einsetzt?

Das ist eine gute Frage. Technologie hört sich auf den ersten Blick neutral an – doch dahinter verstecken sich alte und neue gesellschaftliche Fragen rund um Gerechtigkeit, Machtverteilung, demokratisches Zusammenleben und grundlegende Rechte von Menschen. Und für beides, also für die Technologie und für diese grossen gesellschaftlichen Fragen, habe ich ein Flair. Und sicher spielte mein Studium dabei auch eine wesentliche Rolle. 

Welches Studium bereitet einen auf diese Tätigkeit vor?

Ich habe einerseits einen Abschluss in politischer Philosophie und Ethik, andererseits habe ich auch in Rechtswissenschaften promoviert. Im Rahmen meiner Dissertation habe ich das Thema Menschenrechte im Zusammenhang mit Globalisierung und neuen Technologien, die nicht mehr an Landesgrenzen Halt machen, beleuchtet. Und natürlich waren auch meine Tätigkeiten zuvor in Bereichen wie der Politik oder der Forschung entscheidend für meine jetzige Position. Ausschlaggebend war und ist aber wohl mein Antrieb, mich für Menschen und ihre Rechte, für Gerechtigkeit und Demokratie einzusetzen.

Beeinflusst deiner Meinung nach KI die finanzielle Lage von Frauen? 

Absolut. Algorithmen und KI-basierte Systeme werden an vielen Orten eingesetzt: Um die Kreditwürdigkeit zu testen, um Bewerbungen zu prüfen oder um auf Ämtern die Integration von Arbeitslosen im Arbeitsmarkt zu bewerten. In all diesen Bereichen gibt es eindrückliche Beispiele, wie die KI zu Ungerechtigkeiten führen kann, die auch finanzielle Folgen nach sich ziehen. 

Wie kommt das?

Diese Systeme sind gefüttert mit Daten aus der Vergangenheit. Und auf dieser Grundlage macht das System einen Ausblick oder eine Einschätzung für die Gegenwart und Zukunft. Und das kann für Frauen in vielen Benachteiligungen enden. Wir wissen ja um die Stellung der Frau in der Vergangenheit. So werden Ungerechtigkeiten von den Systemen übernommen und weiter zementiert.

Kannst du ein paar Beispiele nennen?

Ein grosser Online-Händler testete im Bewerbungsprozess eine Einstellungssoftware. Diese hat für offene Stellen fast nur Männer vorgeschlagen. Der Grund: Die KI dachte, dass Männer sich eher eignen – aufgrund der Daten der bisherigen Belegschaft. Diese bestand vor allem aus Männern. In Österreich wurde im Arbeitsamt ein KI-System eingesetzt, das bewertet, wer sich wie gut für einen Job eignen könnte. Frauen mit Betreuungspflichten wurden dort schlechter beurteilt als Männer in der gleichen Lebenslage. Zudem schlagen die Algorithmen von Social-Media-Plattformen und Jobportalen oft Männern Jobs in der IT vor und Frauen den Job als Kinderbetreuerin. Stereotypen werden zementiert.

Angela Müller
Es gibt eindrückliche Beispiele, wie KI zu Ungerechtigkeiten führen kann, die auch finanzielle Folgen nach sich ziehen.

Hat KI deinen Bezug zu Geld in irgendeiner Form beeinflusst?

Meinen persönlichen Bezug nicht auf den ersten Blick – aber unbewusst wohl schon, da Algorithmen unseren Alltag heute schon prägen. Auch mir wurde sicherlich schon Werbung in die Timeline gespült, die mich zu einem Kauf verleitet hat. Und auch meine Kreditwürdigkeit oder die Versicherungsprämien wurden bestimmt schon von einer entsprechenden KI berechnet.

Denkst du, KI kann die bestehenden Machtverhältnisse auch positiv beeinflussen? 

Auf einer Metaebene sehe ich, dass KI eine Stellvertreterin für vieles sein kann – auch für die Verteilung von Macht und Geld. So vielversprechend die Technologie auch ist, so sehr droht eben auch die Gefahr, dass letztendlich wieder die von ihr profitieren, die sich auch heute schon in einer privilegierten Position befinden. KI kann so auch ein mächtiges Tool sein, das die Ungerechtigkeit weiter stärkt. Es ist also an uns, Machtverhältnisse zu ändern, das kann nicht die KI übernehmen. Aber wir sollten KI so entwickeln und einsetzen, dass sie eben genau dazu beiträgt, Gerechtigkeit und Einbezug zu stärken. Dieses Potenzial sollten wir unbedingt nutzen und das ist auch das Ziel, das wir als Organisation verfolgen.

Ich möchte mit dir noch ein paar persönliche Fragen rund um das Thema Geld besprechen. Wer hat mit dir als Kind zu Hause über Geld gesprochen? 

Die politische Dimension von Geld wurde bei uns zu Hause viel diskutiert. Meine Mutter hat immer gearbeitet, darum haben wir immer mal wieder über die Undurchsichtigkeit von Löhnen gesprochen. Mein Vater war selbstständig. 

Angela Müller
Auch mir wurde sicherlich schon Werbung in die Timeline gespült, die mich zu einem Kauf verleitet hat. Und auch meine Kreditwürdigkeit oder Versicherungsprämien wurden bestimmt schon von einer entsprechenden KI berechnet.

Gab es einen Leitsatz, an den du dich heute noch hältst?

Mir wurde als Kind mitgegeben, dass Geld wichtig ist und nicht vom Himmel fällt. Unsere ganze Familie hat den Hang, gerne und viel zu arbeiten – auch diesen hohen Stellenwert der Arbeit gaben meine Eltern mir mit. Gleichzeitig hatte ich nie das Gefühl, dass es dabei nur um das Geld ging. Mir wurde auch mitgegeben: Man darf Geld nicht überbewerten. Man soll es sinnvoll einsetzen.

Wie hast du deinen eigenen ersten Franken verdient? 

Mit zwölf habe ich angefangen, den Plakataushang für das Stadtkino in Luzern zu machen. Dazu bin ich in Läden vorbeigegangen und habe gefragt, ob ich das Plakat aufhängen darf. Ab 16 hatte ich eigentlich immer einen, zwei oder drei Nebenjobs: Angefangen bei der Gastronomie und einem eigenen Cateringbetrieb über Bürojobs bis zu Assistenzstellen an den Unis. Ich finde es wichtig, dass man lernt, was Arbeit in verschiedenen Bereichen bedeutet.

Was bringst du deinen Kindern über Geld bei? 

Unser Sohn ist jetzt neun Jahre alt und übt den Umgang mit Geld. Mir ist wichtig, dass er mit auf den Weg bekommt, was ich gelernt habe: Geld fällt nicht vom Himmel. Geld kann vieles ermöglichen, aber es haben nicht alle den gleichen Zugriff darauf. Unsere Kinder sollen wissen, dass Geld nicht selbstverständlich ist – und lernen, es zu teilen. Unsere Tochter ist vier, ihr gefallen aktuell sowieso die kleinen goldenen Münzen am besten.

Bekommt dein Sohn Sackgeld?

Mein Sohn bekommt Sackgeld, jetzt in der 3. Klasse sind es 3 Franken pro Woche. Da ist ehrlich gesagt wenig Teuerung eingerechnet, aber mir geht es dabei nicht darum, dass er viel Geld bekommt, sondern darum, dass er folgende Dinge lernt: Wie setze ich das Geld ein? Vielleicht kann ich das tolle Lego ja auch gebraucht kaufen?

Wann streitest Du über Geld? 

Ich streite, wenn ich finde, dass das Geld nicht sinnvoll eingesetzt ist. Natürlich sind Gespräche rund um Geld immer sensitiver, wenn es knapp wird. Während meiner Dissertation nahm ich einen tiefen Lohn in Kauf. In einer solchen Situation ist es eher ein Reizthema. Wobei wir es als Eltern geschafft haben, die 50/50-Teilung von Geld und Betreuung beizubehalten. Und bei meinem Partner und mir ist klar: Am Ende gehört alles Geld eh einfach allen. Darum funktioniert es ganz gut.

Angela Müller
KI kann auch ein mächtiges Tool sein, das die Ungerechtigkeit weiter stärkt.

Für was hast du zuletzt Geld ausgegeben, das du jetzt als «sinnlos» bezeichnen würdest? 

Kürzlich kaufte ich ein spezielles Ladekabel, und zu Hause habe ich gemerkt, dass ich es bereits habe (lacht). Für die Kita geben wir auch sehr viel Geld aus. Das ist überhaupt nicht sinnlos, denn es geht um die Betreuung unserer Tochter und um wahnsinnig wertvolle Arbeit. Aber beim Blick auf die Rechnung denke ich schon immer wieder, da läuft doch einfach etwas falsch – diese Kosten müssten doch anders verteilt werden.

Und wofür gibst du gerne etwas mehr Geld aus? 

Wenn wir Freunde zum Abendessen einladen, dann gebe ich gerne viel Geld aus. Das ist mir sehr wichtig. Für Bücher und Zeitungsabos – nur komme ich derzeit viel zu wenig zum Lesen. Apéros. Ferien. Und ein neues Rennrad steht gerade weit oben auf der Wunschliste. 

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