Die bunten Katzen, Vögel und Fantasiewesen der Streetart-Künstlerin Taina schmücken Wände in der Schweiz und im Ausland. Wie sie zur Streetart kam und wie sie damit Geld verdient, verrät sie im Money Talk.
Taina, wie bist du Künstlerin geworden?
Ich habe den gestalterischen Vorkurs gemacht. Danach wollte ich anfangen, Geld zu verdienen. Deshalb habe ich eine Lehre als Poly-Designerin 3D gemacht – früher auch bekannt als «Dekorateurin» (lacht).
Wie oft holst du dir eine Bewilligung für deine Kunst?
Bei grösseren Sachen organisieren Veranstalter:innen oder Auftraggeber:innen die Bewilligungen. Wenn ich für mich malen will, gehe ich an die drei Orte in Zürich, an denen man legal Wände bemalen darf: der Obere Letten, die Rote Fabrik oder der Skatepark beim Sihlcity.
Du malst zwar auf einer kostenlosen Unterlage – öffentlichen Wänden. Aber wie verdienst du damit Geld?
Ich arbeite hauptsächlich auftragsbasiert, sei das mit Privatpersonen, Firmen oder Festivals. Und zu Hause im Atelier male ich Bilder, die ich an Ausstellungen oder in Galerien verkaufe. Ausserdem experimentiere ich momentan mit einem Online-Shop.
Wie viel kostet es denn, eine Wand zu bemalen?
Materiell gesehen kostet es vielleicht 500 Franken, ein Mural – also eine Wandmalerei – zu malen. Wenn ich es als Auftrag mache, habe ich einen Stundensatz von 140 Franken. Ich mache aber fast keine Wände unter 1000 Franken.
Wie kommt das?
Wenn man den Preis auf meinen Stundensatz herunterrechnet, habe ich mindestens einen Tag Aufwand für eine grosse Wand. Für das Grundgerüst, also die Planung und die Skizze. Je nachdem, wie gross oder aufwendig es ist, das Bild umzusetzen, ist der Preis nach oben offen.
Das heisst, du malst nichts Grosses ohne Auftrag?
Wenn ich Streetart-Festivals besuche, ist das anders. Dort lernt man viele Leute kennen und kann gut netzwerken. Teilweise erhält man von den Veranstalter:innen sehr wenig für ein Mural, teilweise muss man alles selbst bezahlen. Dort wäge ich jeweils ab, ob ich Lust habe und mir die Bedingungen zusagen.
Also kannst du alles in allem von deiner Kunst leben?
Ja, aber das war ein Prozess. Über zehn Jahre habe ich meine Arbeitsteilung von 80 Prozent Polydesignerin und 20 Prozent Künstlerin umgekehrt auf letztlich 20 Prozent Polydesignerin und 80 Prozent Künstlerin. Seit drei Jahren mache ich Vollzeit Kunst. Seit letztem Jahr bin ich sogar offiziell als Firma angemeldet.
Kannst du gut davon leben?
Nein! (Lacht.) Wenn ich es fürs Geld machen würde, wäre es einfacher, einer Erwerbsarbeit nachzugehen.
Was war dann ausschlaggebend für deine Entscheidung?
Ich bin eine dieser Künstlerinnen, die Kunst liebt und nicht anderes kann: Die Kunst steckt in mir drin, und sie muss raus. Ich bin mit wenig Geld zufrieden und lebe erfüllter mit dieser Entscheidung.
Ich stelle mir aber vor, dass dein Einkommen als Selbstständige sehr schwankt. Wie entspannt bist du damit?
Meistens geht es gut. Ich habe Phasen, in denen Panik und Existenzängste einsetzen. Da muss ich mich jeweils wieder rausschaufeln. Trotzdem ist mir mein Beruf das wert. Je länger ich selbstständig bin, desto kleiner werden die Ängste, weil ich lerne, damit umzugehen.
Inwiefern kann Kunst überhaupt mit Geld aufgewogen werden?
Gilt diese Frage nicht für alles? Wer hat bestimmt, wie viel eine Reinigungskraft verdient und wie viel eine CEO? Das sind gesellschaftlich gemachte Zahlen. Ich hätte es am liebsten, wenn sich der Preis für meine Kunst prozentual zum Einkommen einer Person anpassen würde. So hätte man von allen dieselbe Wertschätzung – wenn auch mit unterschiedlichen Summen.
Mit welchem Verhältnis zu Geld bist du aufgewachsen?
Mit einem sehr guten. Meine Eltern haben mir früh geholfen, gut mit Geld umzugehen. So habe ich mir zum Beispiel in der Lehre jede Woche so viel Geld ins Portemonnaie gelegt, wie ich ausgeben durfte. Wenn es weg war, hatte ich nichts mehr. Manchmal war das hart, aber es hat funktioniert.
Dann haben beide Elternteile mit dir über Geld geredet?
Mein Vater war vielleicht ein bisschen strenger. Als ich in der Sekundarschule war, wollte ich Schuhe von Doc Martens. Mein Vater fand, er würde mir Schuhe im Wert von 50 Franken kaufen. Wenn ich mehr ausgeben möchte, müsste ich selbst den Rest bezahlen. Da musste ich das Geld sparen, aber das Gefühl, dass ich mir selbst etwas erarbeitet habe, ist mir geblieben.
Sprichst du mit deinen Freund:innen über Geld?
Ja! Ich habe mir angewöhnt, mit Freund:innen über Geld zu reden, vor allem mit denen, die auch künstlerisch arbeiten – was sehr viele in meinem Umfeld tun. Austausch und Ehrlichkeit untereinander in Bezug auf Geld können uns nur helfen.
Ja, ich glaube, ich habe noch selten mit jemandem gesprochen, der so bereitwillig und offen über Geld spricht!
Ich musste das auch lernen. Ein einschneidendes Erlebnis war, als ich in einem Warenhaus als Dekorateurin gearbeitet habe. Als ich gekündigt habe und sie mich behalten wollten, haben sie mir auf einmal 1000 Franken mehr Lohn angeboten. Später hat sich herausgestellt, dass ein Kollege ein halbes Jahr vorher auf dieses Angebot eingegangen ist – aber eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen musste. Für mich ging das nicht, Fairness und Transparenz sind mir sehr wichtig. Ich verdiene in einem Team lieber weniger, dafür gleich viel wie alle anderen, als dass ich als Einzige mehr verdiene und nichts sagen darf.
Letzte Frage: Macht es dich nicht traurig, dass deine Kunstwerke sofort wieder übermalt werden?
Für viele ist das wohl schwierig nachzuvollziehen, aber Kurzlebigkeit und Abnutzung gehören zur Streetart. Von Nahem sieht man an vielen Wänden zentimeterdicke Schichten Farbe – wie Jahresringe bei Bäumen. Ich finde das faszinierend.