Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Kinder:1
Ort:Baden (AG)
Beruf:Gründerin feelgood Condoms
Einkommen:1'000 Franken Lohn / Monat
Schulden:-
Grösster Ausgabeposten:Essen, da will ich wissen, woher es kommt
Vermögen:Kondome und Gleitgel an Lager, PK, Säule 3a und etwas Erspartes

Welches Gefühl löst bei dir Geld aus?

Geld ist für mich Mittel zum Zweck, losgelöst von grossen Gefühlen. Es ist für mich dazu da, die Existenz meiner Familie zu sichern, indem wir ein Dach über dem Kopf haben und die Grundbedürfnisse wie Essen oder Krankenversicherung gedeckt sind. Ich bin da sehr rational und pragmatisch. Aber das, was ich mir mit Geld ermöglichen kann, löst bei mir positive Gefühle und Dankbarkeit aus – zum Beispiel, wenn ich mir etwas gönnen kann oder wenn ich jemand anderem etwas Gutes tun, etwas spenden oder in ein Projekt investieren kann.

Bist du also eher eine Investorin im Umgang mit Geld?

Früher war ich eine grosse Sparerin, und auch heute bin ich gerne auf der sicheren Seite. Ich achte beispielsweise darauf, dass immer etwas für Notfälle oder die Ausbildung unserer Tochter auf der Seite liegt. Aber seit meiner Selbstständigkeit investiere ich auch einen grossen Teil meines Geldes in unser Unternehmen. Mit dem Alter hat sich meine Einstellung zu Geld nämlich etwas verändert.

Inwiefern?

Ich finde, Geld soll wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfliessen. Indem ich Geld in das Unternehmen von mir und meinem Mann stecke, hinter dem ich zu 100 Prozent stehen kann, tut es das. Und mir fällt es nicht schwer, mein Geld zu investieren. Aber es kam mir zugute, dass ich früher viel gespart habe, denn nur so konnte ich mein Unternehmen gründen.

Martina Hammer
Für die Gründung und die erste Bestellung unserer feelgood-Kondome habe ich fast mein ganzes Erspartes gesetzt. Einen sechsstelligen Betrag. Ein bisschen verrückt.

Wie viel Geld hast du in dein Unternehmen gesteckt?

Für die Gründung und die erste Bestellung unserer feelgood-Kondome habe ich fast mein ganzes Erspartes gesetzt. Einen sechsstelligen Betrag. Ein bisschen verrückt. Aber ich habe auf mein Bauchgefühl gehört und für mich entschieden: «If you don’t take the risk, you lose the chance.»

Habt ihr auch Investor:innen, die in euer Unternehmen investiert sind?

Nein, momentan sind wir «gebootstrapped», also selbstfinanziert. Uns war der Grundsatz «Freedom over Money» am Anfang sehr wichtig, deshalb haben wir den langsameren, aber vielleicht auch nachhaltigeren Ansatz gewählt. Wenn wir aber in die Lage kommen, Fremdkapital zu benötigen, schliessen wir diese Option natürlich nicht aus.

Wie offen sprichst du über Geld und mit wem?

Über mein Einkommen zu sprechen, fällt mir nicht schwer. Seit letztem Monat zahle ich mir monatlich 1'000 Franken aus, was ungefähr einem Zehntel meines früheren Lohnes als Angestellte entspricht. Auch wenn wir als Familie einen sehr einfachen und nachhaltigen Lebensstil pflegen, können wir natürlich nicht davon leben und sind darauf angewiesen, dass mein Mitgründer und Ehemann neben unserem Unternehmen als Lehrperson arbeitet.

Martina Hammer
Ich brauchte Zeit, um anzuerkennen, dass meine unentgeltliche Care-Arbeit auch einen Wert hat und ich mir etwas leisten darf vom gemeinsamen Konto.

Wie war diese finanzielle Umstellung für dich von der Angestellten zur Gründerin eines Start-ups? Fällt es dir schwer, ein Stück weit finanziell von deinem Partner abhängig zu sein?

Das Thema finanzielle Abhängigkeit kam schon auf, als ich vor rund drei Jahren Mutter wurde. Davor hatte ich immer einen eigenen Lohn und war finanziell nie von jemandem abhängig. Deshalb habe ich mir über Geld auch nie so viele Gedanken gemacht. Das hat sich mit der Mutterschaft geändert. Ich habe mir zwei Jahre Auszeit von der Erwerbsarbeit genommen und war plötzlich vom Einkommen meines Ehemannes abhängig. Wenn ich zum Beispiel zum Coiffeur ging, überlegte ich mir: Darf ich das vom gemeinsamen Haushaltskonto bezahlen oder nicht?  Ich brauchte Zeit, um anzuerkennen, dass meine unentgeltliche Care-Arbeit auch einen Wert hat und ich mir etwas leisten darf vom gemeinsamen Konto.

Als du vor deiner Selbstständigkeit angestellt warst: Fiel es dir damals auch leicht, über deinen Lohn zu sprechen beziehungsweise ihn zu verhandeln?

Nein. Nach meinem Studium habe ich als Trainee in einem sehr grossen Konzern den Mindestlohn bekommen. Damals habe ich mir keine grossen Gedanken über das Gehalt gemacht, der Trainee-Lohn war sowieso für alle gleich und es gab keinen Verhandlungsspielraum. Ich habe das Trainee als Schule angesehen und war dankbar, dass ich überhaupt eine so tolle Stelle bekommen hatte. Im Nachhinein sehe ich das aber etwas kritischer.

Martina Hammer
Ich musste merken, dass grössere Gehaltssprünge innerhalb der gleichen Firma schwierig sind – darauf reagierten viele Mitarbeiter:innen mit einer Kündigung.

Inwiefern?

Ich finde es schade, dass man schon mit viel Wissen ausgestattet, hoch motiviert und oft mit mehr Arbeitsbereitschaft und gern gemachten Überstunden minimal bezahlt und vielleicht auch oft ausgenutzt wird. Ich habe nach meiner Lehre vor dem Studium mehr verdient als nach dem Studium. Und als ich nach dem Trainee nach mehr Lohn fragte, wurden mir pro Monat hundert Franken mehr angeboten. Ich musste also merken, dass grössere Gehaltssprünge innerhalb der gleichen Firma schwierig sind – darauf reagierten viele Mitarbeiter:innen mit einer Kündigung. Das ist aus meiner Sicht auch für das Unternehmen äusserst ungünstig, da es so überdurchschnittlich gute und topmotivierte Mitarbeiter:innen verliert, die sich mit der Unternehmung stark identifizierten.

Hast du deshalb auch die Stelle gewechselt?

Nein, ich habe die Firma dann zwar verlassen irgendwann, aber nicht primär wegen des Geldes. Aber es war mir eine Lehre, dass man von Anfang an den Lohn verhandeln sollte. Rückblickend hätte ich aber noch mehr verhandeln sollen. Ich hatte zwar immer das Gefühl, dass mein Lohn fair ist, aber dann hörte ich von meinen männlichen Kollegen, dass sie teilweise bis zu 20 Prozent mehr Lohn hatten – für die gleiche Arbeit.

Wie hast du reagiert?

Ich habe es geschluckt. Heute halte ich das für einen Fehler. Wir waren viele Frauen im Unternehmen, und hätten wir uns zusammengeschlossen, hätten wir vielleicht etwas bewirken können für mehr Gleichberechtigung im Unternehmen.

War das mit ein Grund, dass du dich als frischgebackene Mutter selbstständig gemacht hast?

Ja, ein Stück weit schon. Während meiner Auszeit hatte ich genügend Zeit, über meinen beruflichen Werdegang nachzudenken, und musste mir eingestehen, dass ich aktuell nicht mehr in ein klassisches Unternehmen zurückkehren wollte. Ich habe meine Arbeit immer mit so viel Herzblut gemacht, als wäre es mein eigenes Unternehmen, und das oft auch mit grossem Erfolg. Leider musste ich aber auch schon erfahren, dass selbst Mitglieder der obersten Führungsebene dazu neigen können, Mitarbeitende, die über ihre Leistung hinausgehen oder Missstände aufdecken, klein zu halten, um selbst nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Kurzum: Ich wollte meine Energie und Herzblut in etwas Eigenes stecken und war bereit, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Nur die Idee fehlte.

Woher kam dann die Idee, eine nachhaltige und vegane Kondommarke zu gründen?

Nach der Geburt unserer Tochter musste ich mich wieder einmal mit dem Thema Verhütung auseinandersetzen. Da ich nachhaltige und vegane Produkte sowie eine hormonfreie Verhütung bevorzuge, fiel mir vor dem entsprechenden Regal auf, dass es in dieser Kategorie kein Angebot gab. So entstand die Idee, eine vegane und nachhaltig zertifizierte Schweizer Kondommarke zu lancieren, die diese Sortimentslücke auf dem Schweizer Markt schliesst. Und es war mir wichtig, eine Kondommarke zu kreieren, die auch Frauen gefällt.

Wie ist euch das gelungen?

Das Design, die Grafik und die Website stammen alle aus Frauenhand. Die meisten Kondome sind für Männer gemacht – mit dunklen Verpackungen und chemischen Inhaltsstoffen für längere Ausdauer. Bei uns stehen Qualität, Sicherheit, Veganismus, Tierwohl und die Schonung der natürlichen Ressourcen im Fokus.

Sind sie in der Herstellung teurer als herkömmliche Kondome?

Diese Nachhaltigkeit sowie die vegane Produktion kosten uns etwa 30 Prozent mehr, als herkömmliche Kondome kosten würden.

Martina Hammer
Zahlreiche Studien belegen, dass das grösste Hindernis für den Kauf nachhaltiger und veganer Produkte bei den Verbraucher:innen der höhere Preis ist.

Wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft bei den Kund:innen dafür?

Zahlreiche Studien belegen, dass das grösste Hindernis für den Kauf nachhaltiger und veganer Produkte bei den Verbraucher:innen der höhere Preis ist. Dieser Tatsache waren wir uns bei der Lancierung sehr bewusst und sind deshalb im Preis nicht teurer als unsere Konkurrenz. Wir nehmen uns eine geringere Marge. Wir hatten leider keine Alternative. Das ist für uns als Start-up nicht ideal, da es so länger dauert, bis wir in die Gewinnzone kommen. Aber wir haben keine andere Chance gesehen und wollten die Marge auch nicht bei den Latexlieferant:innen wegnehmen, deren Mitarbeiter:innen auf Plantagen arbeiten und sowieso schon sehr wenig verdienen.

Wie viel ist dir Nachhaltigkeit persönlich Wert?

Wenn ich in allen Bereichen komplett auf Nachhaltigkeit setzen würde, käme ich an meine finanziellen Grenzen, da einige Produkte doch sehr teuer sind. Wo immer es möglich ist, versuche ich nachhaltig einzukaufen und setze auch auf etwas gesunden Menschenverstand. Auslandsreisen reduziere ich auf ein Minimum, und Kleidung kaufe ich eher selten. Auch meine Tochter bekommt 99 Prozent ihrer Kleidung von älteren Kindern. So kann ich mir dann auch leisten, teurer einzukaufen und auf umwelt- und klimafreundliche Kleidung zu setzen, die unter fairen Arbeitsbedingungen entstanden ist.

Martina Hammer
Panik und Euphorie sind Emotionen, die bei Start-up Gründer:innen nahe beieinander liegen.

Wie gehst du mit dem finanziellen Druck als Selbstständige um? Stresst dich das manchmal?

Am Anfang hatte ich schlaflose Nächte. Panik und Euphorie sind Emotionen, die bei Start-up Gründer:innen nahe beieinander liegen. Aber seit wir auf dem Markt sind und die ersten Grosskund:innen wie zum Beispiel die Migros haben, bin ich lockerer geworden. Ich blicke optimistisch in die Zukunft, glaube zu hundert Prozent an unsere Idee und sehe, dass sich jeden Tag neue Chancen ergeben können.

Hast du einen Leitsatz in Bezug auf Geld?

Mein Vater hat mir immer gesagt: «Gib nie mehr Geld aus, als du hast, und achte darauf, dass du immer etwas für Notfälle auf der Seite hast.» Damit bin ich bisher ganz gut gefahren. Es ist erwiesen, dass Geld nicht glücklich macht und vor allem als Sicherheit dient.

Du bist Mutter einer Tochter. Was möchtest du ihr zum Thema Geld mit auf den Weg geben?

Ich zeige ihr jeden Tag, wie ich mit Geld umgehe. Ich möchte ihr einen gesunden Umgang mit Geld beibringen und ich glaube, da ist es wichtig, was man vorlebt. Meine Tochter ist zwar erst drei Jahre alt, aber sie weiss heute schon, dass man für Geld arbeiten geht und sich dann etwas kaufen kann. Und eines Tages werde ich ihr den Rat meines Vaters weitergeben.

Was sind deine persönlichen finanziellen Träume?

Eines Tages in der Lage zu sein, zu 100 Prozent vom Unternehmertum zu leben.

Warum glaubst du an eine Zukunft der Algen, Jessica Farda?
Noriware arbeitet daran, herkömmliche Plastikverpackungen durch kompostierbaren Algenplastik zu ersetzen. Bei einer Reise 2021 geboren und 2022 gegründet, hat das Start-up 2023 eine Million Schweizer Franken Funding gesammelt. Jessica Farda ist die 25-jährige CEO.
Ist Schokolade ein Luxusprodukt, Fränzi Akert?
Die Gründerin der Schokoladenmanufaktur Garçoa verrät uns, weshalb Schweizer:innen Schokolade zu wenig wertschätzen und wie wichtig Ostern für ihr Geschäft ist.