Persönlichkeit
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Hintergrund
Alter:39
Kinder:2
Ort:Zürich
Beruf:Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Agrarbereich und Gründerin von Garçoa Chocolate
Einkommen:4000.- pro Monat
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Nachhaltige und fair hergestellte Lebensmittel
Vermögen:das eigene Unternehmen

Du bist gelernte Käserin und hast einen Doktortitel in Agrarwissenschaften. Wie kam es dazu, dass du eine Schokoladenmanufaktur gegründet hast?

Die Idee für Garçoa, unsere Schokoladenmanufaktur, ist in Peru entstanden. Ich war für ein Schweizer Bio- und Fairtrade-Handelsunternehmen längere Zeit vor Ort und habe untersucht, wie man gewisse Prozesse und Tests, die wir vom Käse kennen, auch für Kakao anwenden könnte. Im Rahmen dieses Projekts habe ich gemerkt, wie viel Diversität in Kakaobohnen steckt und wie wenig davon wir in den fertigen Schokoladen schmecken. Nach meiner Rückkehr habe ich zusammen mit einem Studienkollegen Garçoa gegründet. Ich wollte eine Schokolade machen, in der die Kakaobohne wirklich zur Geltung kommt.

Euer Unternehmen ist mittlerweile sieben Jahre alt. Kannst du von deiner Arbeit bei Garçoa leben?

Nach meinem Doktoratsstudium haben mein Co-Gründer und ich beide Vollzeit bei Garçoa gearbeitet. Aber dann wollten wir den finanziellen Druck etwas senken und haben beide unser Pensum reduziert, um noch einer anderen Tätigkeit nachgehen zu können, mit der wir Geld verdienen. In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass das für mich eigentlich eine Traumkombination ist: 50 Prozent selbstständig und 50 Prozent angestellt als Forscherin.

Du bist also heute noch immer Teilzeit in der Forschung tätig?

Seit ich Kinder habe, arbeite ich 80 Prozent. 50 Prozent bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt – die restliche Zeit widme ich Garçoa. Als Geschäftsführerin ist es nicht einfach, alle Arbeit in diesem Pensum zu erledigen, und ich arbeite meistens mehr. Aber ich finde diese Kombination aus angewandter Forschung und dem eigenen Betrieb sehr befruchtend, und ich möchte das weiterhin so machen.

Fränzi Akert
Ich habe mich bewusst dazu entschieden, lieber andere Leute anzustellen, statt mir mehr Lohn auszuzahlen.

Wie viel verdienst du denn als wissenschaftliche Mitarbeiterin?

Mit einem 100-Prozent-Pensum verdient ein:e wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in zwischen  70’000 und 90’000 Franken im Jahr. Und bei Garçoa zahle ich mir momentan nur 20 Prozent Lohn aus, um unsere finanziellen Ressourcen im Unternehmen zu schonen. Ich habe mich nämlich bewusst dazu entschieden, lieber andere kompetente Leute anzustellen, statt mir mehr Lohn auszuzahlen.

Weshalb?

Zum einen ist es einfach schön, mit coolen Leuten zusammenzuarbeiten. Zum anderen sehe ich das als eine Investition in meine Lebensqualität, weil dadurch weniger Arbeit und Verantwortung auf mir lasten.

Wie handhabt ihr die Höhe der Löhne bei euch im Unternehmen?

Wir haben bei Garçoa transparente Löhne – alle wissen, wer wie viel verdient, und alle Angestellten verdienen gleich viel. Klar gibt es Felder, wie zum Beispiel den Verkauf, wo man die Performance einer Person einfacher messen kann als in anderen Bereichen. Aber wenn der Verkauf erfolgreich ist, müssen auch die Produktion und die Kommunikation nachziehen. Es hängt alles zusammen, und gerade in einem so kleinen Unternehmen tragen alle massgeblich zum Erfolg bei. Deshalb finde ich dieses Lohnsystem, wie wir es haben, fair. Aber auch bei uns sehe ich noch Entwicklungspotenzial.

Inwiefern?

Wir alle würden an einem anderen Ort mehr verdienen als in einem Start-up. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir in unserer Firma laufend andere Stärken ausarbeiten und hervorheben. Bei uns haben alle viel Verantwortung und viele Möglichkeiten, Dinge selbst und kreativ anzupacken. Zudem bieten wir viele flexible Teilzeitstellen an. Die meisten in unserem Unternehmen arbeiten zwischen 40 und 50 Prozent. Aber manchmal frag ich mich schon, weshalb wir mittlerweile im Unternehmen nur Frauen sind …

Fränzi Akert
Ich würde sicher etwas anderes im Leben machen, wenn es mir ums Geld ginge. Man doktoriert nicht, wenn es einem ums Geld geht, und man gründet auch nicht eine Schokoladenmanufaktur, wenn es einem ums Geld geht.

Was ist deine Hypothese?

Hm, also mir zumindest ist Geld nicht so wichtig. Das ist natürlich ein Luxus, dass es mich nicht so beschäftigen muss und ich genug zum Leben habe. Aber ich würde sicher etwas anderes im Leben machen, wenn es mir ums Geld ginge. Man doktoriert nicht, wenn es einem ums Geld geht, und man gründet auch nicht eine Schokoladenmanufaktur, wenn es einem ums Geld geht. Ich persönlich gewichte Verantwortung und Selbstständigkeit jedenfalls sehr hoch, und so geht es, glaube ich, auch meinen Mitarbeiterinnen. Wir haben viele junge, sehr gut ausgebildete Mamis, die gerne Verantwortung übernehmen und einen hervorragenden Job machen. Also vielleicht ist Geld vielen Frauen einfach weniger wichtig. Ach, ich weiss es nicht ...

Eine spannende Frage, die uns auch immer wieder beschäftigt. Inwiefern hat sich denn deine Beziehung zu Geld verändert, seit du selbstständig bist?

Meine Beziehung zu Geld hat sich nicht verändert, aber ich komme sicher mehr mit Geldthemen in Berührung. Zum Beispiel diskutiere ich häufig mit unseren Produzent:innen in den Herkunftsländern über die Margen und Preise. Was heisst es, wenn ein:e Produzent:in mit Kakao 4000 Franken Jahreseinkommen generiert? Ist das viel? Und wie erkläre ich, dass bei uns eine Schokoladentafel über zehn Franken kostet, ohne dass die Produzent:innen fast vom Stuhl fliegen? Diese verschiedenen Realitäten beschäftigen mich schon häufig.

Fränzi Akert
Normalerweise ist der Kakaohandel anonym: Die Bauern und Bäuerinnen verkaufen an Händler:innen, und die handeln dann mit dem Rohstoff an der Börse. Und da steckt viel Spekulation drin.

Heisst das, ihr arbeitet direkt mit den Kakaoproduzent:innen zusammen?

Genau, wir kennen all unsere Produzent:innen. Zwischen den Produzent:innen und uns sind aber noch Partner:innen involviert, beispielsweise für den Transport vom Dschungel an den Hafen oder für den Export. Aber wir haben eine transparente Lieferkette und wissen genau, woher und aus welchem Umfeld der Kakao kommt. Normalerweise ist der Kakaohandel anonym: Die Bauern und Bäuerinnen verkaufen an Händler:innen, und die handeln dann mit dem Rohstoff an der Börse. Und da steckt viel Spekulation drin, entsprechend schwanken auch die Preise stark. Aktuell liegt der Kilopreis an der Börse bei 2.50 Dollar.

Und ihr zahlt immer den gleichen Preis?

Genau, wir arbeiten langfristig mit unseren Produzent:innen zusammen. Für sie bedeutet das: Sie wissen jedes Jahr, wie viel wir von ihnen kaufen werden, und können entsprechend planen. Wir zahlen immer einen Kakaopreis, der deutlich über dem Börsenpreis liegt und praktisch nicht variiert.

Fränzi Akert
Viele denken, Schokolade darf nicht mehr als zwei Franken kosten. Bei einer Flasche Wein hingegen ist das anders: Kostet sie unter zehn Franken, gehen wir davon aus, dass der Wein nicht trinkbar ist.

Du hast es vorhin selbst angesprochen. Eine Tafel eurer Schokolade kostet 11 bis 13 Franken. Ist Schokolade ein Luxusprodukt?

In der Schweiz hat Schokolade leider nicht diesen Stellenwert, obwohl es definitiv ein Luxusprodukt ist. Wir könnten alle ohne Schokolade leben – mehr oder weniger (lacht). Nein, ernsthaft, es ist wirklich ein Luxusprodukt: Kakao kommt von weit her, der Herstellungsprozess ist enorm aufwendig und lange. Aber dieses Bewusstsein fehlt, und entsprechend ist die Wertschätzung für Schokolade bei uns sehr tief. Viele denken, Schokolade darf nicht mehr als zwei Franken kosten. Bei einer Flasche Wein hingegen ist das anders: Kostet sie unter zehn Franken, gehen wir davon aus, dass der Wein nicht trinkbar ist. Dabei sind Wein und Schokolade eigentlich sehr ähnlich, finde ich: Es sind Genussmittel und Luxusprodukte. Und wir wollen, dass die Leute diese Produkte ähnlich wertschätzen. Es sollte als gleichwertig erachtet werden, wenn jemand statt einer Flasche Wein eine Tafel Garçoa-Schokolade als Gastgeschenk mitbringt.

Wie wollt ihr dieses Bewusstsein schaffen?

Indem wir ein wertiges Produkt anbieten und die Geschichte dahinter erzählen. Unsere Schokoladen kann man industriell nicht herstellen, weil wir ohne Kakaobutter arbeiten. Das Prinzip, dass ein Unternehmen von der Bohne bis zur Tafel – also «from bean to bar» – alles selbst herstellt, ist neu. Wir waren eine der ersten Manufakturen in der Schweiz, die dieses Prinzip umgesetzt haben und die es heute noch gibt. Da bei uns die Zutaten sehr reduziert sind, also nur Kakaobohnen und Zucker im Produkt stecken, ist das Produktdesign ebenfalls wichtig. Wir wollen kommunizieren, dass das Produkt hochwertig ist. Aber das braucht viel Aufklärung. Die Kund:innen wollen wissen: Was heisst das genau? Was kostet bei der Herstellung wie viel?

Gutes Stichwort: Wie viel kosten denn die einzelnen Schritte?

Die Entlohnung der Produzent:innen ist in jedem Land etwas anders. Das hat auch damit zu tun, dass es in manchen Ländern staatlich geregelt ist, wie viel Geld den Bauern und Bäuerinnen direkt bezahlt werden kann, und die Rahmenbedingungen in jedem Land anders sind. Je nach Herkunftsland und Sorte zahlen wir pro Kilo Kakaobohnen zwischen sieben und fünfzehn Franken.

Ein Grossteil der Kosten entsteht also in Europa?

Ja, Fakt ist, dass ein grosser Teil des Preises in Europa entsteht, weil hier die Verarbeitung und der Verkauf stattfindet. Insbesondere die Arbeits- und Standortkosten hier sind relativ hoch und schlagen sich entsprechend in den Kosten nieder. Unser Ziel ist es aber, dass wir den Kakaopreis stetig erhöhen können und möglichst viel Geld zum Ursprung fliesst.

Welche Herausforderungen habt ihr da?

Das System ist komplex: Wenn wir den Kakaopreis erhöhen, dann steigt der Endpreis für die Konsument:innen mehr als nur um diese Kakaopreiserhöhung. Das hat damit zu tun, dass zum Beispiel die Ladenkosten mit dem Verkaufspreis auch ansteigen. Eine andere Option wäre, mehr Produktionsschritte in den Herkunftsländern einzubauen, aber das ist nicht so einfach.


Weshalb?

Schokolade ist sehr schwierig zu lagern und zu transportieren. Gekühlte Schokolade nach Europa zu transportieren, ist finanziell und energetisch Schwachsinn. Deshalb ist es nicht einfach, die Wertschöpfungskette zu verlagern, auch wenn das toll wäre. Dort wo es Sinn macht, unterstützen wir unsere Produzent:innen aber mit unserem Knowhow.

Fränzi Akert
Wir machen 70 Prozent unseres Jahresumsatzes zwischen September und Dezember. Im Sommer essen die Leute einfach weniger Schokolade.

Wie wichtig ist für euch das Ostergeschäft?

Eigentlich haben wir früher gar nicht aufs Ostergeschäft gesetzt. Irgendwann haben wir eine Osterschokolade entworfen – also eine Tafel mit einem Ei auf der Verpackung. Dieses Jahr sind wir erstmals eine Kooperation mit der Stiftung St. Jakob eingegangen, die aus unserer Schokolade Osterhasen gegossen hat. Ich fand diese Idee passend für uns. Wir leisten so einen sozialen Beitrag und profitieren auch etwas mehr vom Ostergeschäft. Und das Schöne an der Kooperation ist: Es wird angeschrieben, wer die Schokolade hergestellt hat. Die Konsument:innen wissen also, dass die Schokolade von Garçoa kommt. Die meisten Chocolatiers machen das nicht.

Wann macht ihr denn sonst am meisten Umsatz?

Wir machen 70 Prozent unseres Jahresumsatzes zwischen September und Dezember. Im Sommer essen die Leute einfach weniger Schokolade. Und unsere Schokolade wird oft als Geschenk gekauft. Deshalb ist Ostern gut für uns, weil wir so auch im Frühling noch eine kleine zweite Saison haben und sich die Auslastung etwas besser übers Jahr verteilt.

Wie seid ihr als Unternehmen finanziert?

Wir sind zum Grösstenteil eigenfinanziert und haben ein paar Darlehen aus unserem Umfeld. Momentan mache ich mir aber gerade Gedanken, wie unser nächster Finanzierungsschritt aussehen soll. Wir sind sieben Jahre am Markt, wir können eine Entwicklung aufzeigen und sind personell gut aufgestellt. Vielleicht könnten wir mittlerweile also einen Kredit aufnehmen oder professionelle Investor:innen suchen. Dann kommt aber immer gleich die Frage: Ist unser Geschäft skalierbar, also können wir weiter wachsen? Wenn ich eine App entwickelt hätte, würde ich vermutlich einfacher an Geld kommen (lacht). Eine Schokoladenproduktion klingt nicht so innovativ, obwohl in der Wertschöpfungskette sehr viel Innovation drin ist. Ein Crowdfunding finde ich auch noch einen spannenden Weg für eine Finanzierung.

Das finden wir auch! Zum Schluss: Wofür gibst du privat gerne Geld aus?

Wir als Familie geben viel Geld für Essen aus. Ich will wissen, woher Lebensmittel stammen, und kaufe sicher nicht nach Preis ein. Aber dafür leben wir sonst relativ bescheiden, zum Beispiel in Bezug auf Ferien, Kleider und so weiter.

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Die Leiterin des Dachverbandes Fairtrade International spricht über die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft, warum sie nicht aus der Armut kommen und was Fairtrade International dagegen tut.